Die Berichte über Jesus

Das erste Evangelium, das geschrieben wurde, war das Evangelium von Markus. Über Markus wissen wir überraschend viel. Und warum wir das Evangelium des Markus mit einem ganz anderen Verständnis lesen müssen wie die Schöpfungsgeschichte.

Artur

7/23/20247 min read

Was wir über Jesus wissen, das wissen wir aus den vier Berichten, die am Anfang des Neuen Testaments stehen. Das sind die Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Es hat jedoch keiner der Autoren seinen Namen und das Datum der Verfassung unter seinen Schrift gesetzt. Wer welches Evangelium geschrieben hatte, das wussten die damaligen Zeitgenossen und sie waren sich darin einig. Als einige Generationen später dann die Reihenfolge der Evangelien festgelegt wurde, herrschte die Überzeugung, dass der Apostel Matthäus als erster ein Evangelium geschrieben habe. Markus habe danach eine Kurzfassung geschrieben. Darum steht der Bericht des Matthäus an der ersten Stelle im Neuen Testament.

Heute weiß man, der erste, der die Geschichte von Jesus aufgeschrieben hat, darin sind sich alle Fachleute einig, das war Markus. Was Markus unternahm, das war in der Literaturgeschichte etwas völlig Neues. Noch nie in der Weltgeschichte hatte ein Autor die Geschichte eines Mannes aufgeschrieben, von dem der Schreiber, nämlich Markus, überzeugt war, dass dieser Mann eins war mit dem Gott, der Himmel und Erde geschaffen hatte. Markus war überzeugt, dass Jesus Mensch und auch Gott war.

Wer war nun dieser Markus? Er hieß eigentlich Johannes. Das ist auch nicht ganz richtig. Johannes ist eine Übersetzung ins Lateinische. Sein hebräischer Name war Jochanan. Markos war sein griechischer Beiname, der dann ebenfalls ins Lateinische geändert wurde in Markus. Unter diesem Namen kennen wir den Verfasser des Evangeliums.

Es ist nicht nur interessant zu wissen, wer Markus war. Es ist ebenso wichtig zu wissen, wann Markus das Evangelium aufgeschrieben hat. Denn, je früher der Bericht den tatsächlichen Ereignissen folgt, um so wahrscheinlicher ist seine Richtigkeit. Je später aufgeschrieben wurde, um so mehr ist die Gefahr der umformenden oder ausschmückenden Erinnerung.

Zur Frage des Zeitpunkts der Niederschrift gehen die Meinungen weit auseinander. Das früheste Datum wird mit dem Jahr 35 angenommen. Das wäre 2 bis 5 Jahre nach dem Tod Jesu. Das späteste Datum wird zwischen 65 und 70 angesetzt. Markus hat leider kein Datum unter sein Schreiben gesetzt. Also ist das Abfassungsdatum eine Vermutung. Die Argumente für eine späte Niederschrift sind jedoch alle sehr hinterfragbar. Deswegen setzt sich immer mehr die Annahme einer sehr frühen Niederschrift durch. Für diese Annahme gibt es gute Gründe.

Markus wird überraschend oft im Neuen Testament erwähnt. Der Evangelist Lukas schreibt über ihn in der Apostelgeschichte und Paulus und Petrus erwähnen ihn in Grüßen.

Lukas, von dem wir die Angaben über Markus haben, erklärt am Anfang seiner ersten Schrift, dem Evangelium, dass er sich sorgfältig bei den Augenzeugen der Ereignisse erkundigt habe, dass er die bisherigen schriftlichen Zeugnisse kenne und dass er nun mit Sorgfalt und wahrheitsgetreu seinen Bericht niederschreibe (Lk 1, 1-4). Den selben Anspruch erhebt Lukas auch in der Apostelgeschichte, aus der die Angaben über Markus stammen.

Markus war der Sohn einer Maria, die mitten in Jerusalem ein großes Haus hatte, in dem sich die Christen versammelten. Er war der Cousin des Barnabas. Barnabas war ein Levit. Er stammte aus Zypern. Von Barnabas berichtet Lukas, dass er einen Acker verkaufte und das Geld den Aposteln gab. Barnabas ging mit Paulus auf die erste Missionsreise und nahm seinen Verwandten Markus mit. Markus war ihr Begleiter bis Perge. Das war eine antike Stadt in der Nähe der heutigen türkischen Ferienregion Antalja. Lukas bemerkt nur knapp: Johannes (=Markus) aber trennte sich von ihnen und kehrte nach Jerusalem zurück. Apg 13,13.

Auf der zweiten Missionsreise wollte Barnabas seinen Verwandten Markus wieder mitnehmen. Paulus wollte das nicht. Markus hatte Paulus und Barnabas in Perge, offensichtlich ohne Zustimmung des Paulus einfach verlassen. Wegen Markus kam es zum Streit zwischen Barnabas und Paulus. Die beiden trennten sich. Barnabas und Markus segelten zu einer eigenen Missionsreise nach Zypern. Paulus brach zur zweiten Missionsreise ohne Barnabas und Markus auf.

Später haben sich Paulus und Markus wieder vertragen. Das geht aus einem Gruß hervor, den Paulus im Brief an die Gemeinde in Kolossä geschrieben hat. Es grüßt euch Aristarch, mein Mitgefangener, und Markus, der Vetter des Barnabas - was ihn betrifft, dazu habt ihr schon Anweisungen erhalten; wenn er zu euch kommt, nehmt ihn auf! Kol 3,10.

Markus muss auch in Rom beim Petrus gewesen sein. Das geht aus dem Briefschluss des ersten Petrusbriefes hervor. Es grüßt euch die mitauserwählte Gemeinde in Babylon und Markus, mein Sohn. 1.Petr. 5,13. Babylon war ein Deckname für Rom.

Es gibt im Markus Evangelium eine Szene bei der Gefangennahme Jesu, die es nur bei Markus gibt. Die Vermutung liegt nahe, dass Markus sein eigenes Erleben notiert hat. Ein junger Mann aber, der nur mit einem leinenen Tuch bekleidet war, wollte ihm nachfolgen. Da packten sie ihn; er aber ließ das Tuch fallen und lief nackt davon. Mk 14,51-52.

Spätere Schriftquellen berichten von Markus. Eusebius zitiert eine Schrift von Papias von Hierapolis. Papias war in der 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts Bischof in der Kleinasiatischen Stadt Hierapolis. Papias hat geschrieben, dass Markus der Dolmetscher des Petrus war. Petrus kam aus der Provinz. Dort sprach man aramäisch. Ein wenig Griechisch konnte Petrus sicher. Wahrscheinlich nicht genug für eine lange Rede. Die damalige Weltsprache war, so wie heute Englisch, das Griechische. Markus kam aus Jerusalem, der Hauptstadt des Landes und war wahrscheinlich zweisprachig aufgewachsen. Darauf deutet sein Doppelname Markus Johannes hin.

Als Dolmetscher hatte Markus immer wieder die Geschichten, die Petrus von und über Jesus erzählte zu übersetzen. Dass Markus mit Petrus zusammen arbeitete, geht aus dem Briefgruß des Petrus hervor. Petrus nennt Markus darin seinen Sohn. Das war nicht im Sinne einer leiblichen Verwandtschaft gemeint, sondern im Sinn der engen Übereinstimmung in und bei der Verkündigung von Jeschua (=Jesus), dem Messias (=Christus), dem Auferstandenen Retter für die Juden und die Nationen.

Was bedeutet das alles, was wir über Markus wissen? Zunächst wird Johannes Markus damit als historische Person greifbar. Es wird deutlich, dass Markus von Anfang Teil der Jesusbewegung war. Er war wahrscheinlich Augenzeuge der Verhaftung Jesu. Markus lebte in Jerusalem. Er war möglicher Weise auch Augenzeuge der Hinrichtung Jesu. Jedenfalls wusste er darum, als es geschah. Er hat wie die Jünger Jesu den totalen Zusammenbruch der Hoffnungen erlebt, die mit Jesus verbunden waren. Nach der Auferstehung Jesu hörte er, der Bewohner im Zentrum von Jerusalem, sicher auch bald die unwahrscheinliche Nachricht von der Auferstehung.

Johannes Markus begleitete Paulus und Barnabas auf der ersten Missionsreise bis Perge. Von dort kehrt er nach Jerusalem zurück. Danach missionierte er mit Barnabas auf Zypern, der Heimat des Barnabas. Folglich hatten beide verwandtschaftliche Beziehungen nach Zypern. Markus war bei Paulus, als dieser in Gefangenschaft war. Das muss nicht die Gefangenschaft in Rom gewesen sein. Markus war bei Petrus in Rom. In diesem Brief deutet Petrus keine Gefangenschaft an. Die Grüße stammen also nicht aus der Zeit knapp vor dem Martyrium des Petrus und des Paulus, das zwischen 64 und 67 n. Chr. An zu setzen ist.

Als Verwandter des Leviten Barnabas war Markus wahrscheinlich selbst auch ein Levit. Johannes Markus beherrschte als Levit natürlich die Hebräische Sprache in Wort und Schrift. Ebenso konnte er Griechisch, die Sprache, mit der man sich im römischen Reich verständigen konnte. Dazu kam noch die Landessprache in Israel, das Aramäische.

Es lässt sich kaum jemand vorstellen, der näher an der Geschichte Jesu dran war. Es ist wahrscheinlich,dass Markus schon sehr bald den Gedanken hatte, die Geschichte Jesu aufzuschreiben. Der Überlieferung nach baten die Christen in Rom Markus, die Verkündigung des Petrus aufzuschreiben. Petrus war der Augenzeuge der Ereignisse um Jesus. Petrus war vom Beginn des öffentlichen Auftretens Jesu an mit dabei. Bei dem Markusevangelium handelt es sich also nicht um einen Bericht aus Dritter Hand. In der Sprache der Forensik1: Petrus war der Kronzeuge der Geschehnisse rund um Jesus. Markus schrieb in seinem Evangelium kurz und knapp die Aussagen des Kronzeugen auf.

Dass das nahe an den Ereignissen war, das legen einige Stellen im Markusevangelium nahe. Markus hat zB. geschrieben: Einer von denen, die dabeistanden, zog das Schwert, schlug auf den Diener des Hohepriesters ein und hieb ihm das Ohr ab. Mk 14, 47.

Johannes schreibt: Simon Petrus, der ein Schwert bei sich hatte, zog es, traf damit den Diener des Hohepriesters und hieb ihm das rechte Ohr ab; der Diener aber hieß Malchus.Joh 18, 10. Wenn Markus sein Evangelium schreibt, als Petrus und der fragliche Malchus noch leben, dann kann er natürlich keine Namen nennen. Er hätte Petrus ja damit an die Jüdische Behörde ausgeliefert. Ebenso macht das abrupte Ende des Markusevangeliums nur Sinn, wenn die Augenzeugen der Auferstehung noch lebten und die Geschichte fertig erzählen konnten. Wenn ein Petrus zur Zeit der Niederschrift des Evangeliums noch lebte, dann konnte sich Markus auf die Ereignisse beschränken, die von dem irdischen Jesus berichteten, auch wenn darin eine Menge von Wundern vorkam. Über den Auferstandenen wollte Markus ganz offensichtlich nicht schreiben. Nicht, weil er davon nicht überzeugt war.

Es lässt sich eine gewisse Scheu vermuten, das Unerhörte zu schildern. Aber ein Petrus und auch die anderen Apostel, die den Auferstandenen persönlich erlebt hatten, die konnten davon erzählen.

Ein Unterschied

Aus dem allen ergibt sich: Es ist eine Unterscheidung und damit einher gehend eine Entscheidung notwendig. Die Erzählung von Adam und Eva muss in ihrem symbolischen und theologischen Sinn verstanden werden. Als Markus das Evangelium geschrieben hat, waren natürlich auch ein Weltbild und eine Absicht dahinter. Er wollte den schon an Jesus gläubig gewordenen die Möglichkeit geben, noch einmal nach zu lesen, was sie schon von Petrus gehört hatten. In dem Sinn ist es keine neutrale Niederschrift. Aber eine neutrale Zeugenaussage gibt es grundsätzlich nicht. Was der Mensch erlebt und woran er sich erinnert, das ist immer subjektiv.

Dennoch gilt, Markus berichtet von Ereignissen, die tatsächlich statt gefunden haben. Noch einmal, die Absicht des Markus war es, wirkliches Geschehen auf zu schreiben. Wenn Markus von einem Wunder berichtet, dann will er von einem wirklich geschehenen Ereignis berichten, bei dem die uns bekannten Naturgesetze aufgehoben waren. Markus wusste dabei sehr wohl, was ein Wunder war und was nicht. Es ist voreingenommen, den damaligen Menschen naive Wundergläubigkeit zu unterstellen. Ebenso entbehrt die Annahme jeder Grundlage, Markus habe irgend welche Wunder erfunden, um die Göttlichkeit Jesu dar zu stellen.

Aber ist es nicht auch ein Wunder, wenn die Schlange im Garten Eden redet? Mit der Antwort sind wir bei einer wichtigen Unterscheidung, mit der man an die Lektüre der Bibel heran gehen muss. In der Bibel gibt es verschiedene Literaturgattungen.

Im Alltag ist das für den Leser eine Selbstverständlichkeit. Wer einen Roman liest, der wird nicht erwarten, dass das, was im Roman geschildert wird, wirklich geschehen ist. Die Wahrheit im Roman ist eine andere. Andererseits erwartet der Leser einer Zeitung, dass der Bericht über das Ereignis X tatsächlich geschehen ist. Wenn nicht, dann wäre das eine Zeitungsente. Auch wird ein Vertrag anders formuliert sein als ein Brief etc.

Genau so verhält es sich in der Bibel. Da gibt es z,B. theologische Abhandlungen in Form einer Geschichte, reale Geschichtsschreibung, Gedichte und Novellen. Das Problem dabei ist nur, dass die jeweilige Literaturgattung in der Bibel nicht angegeben wird. Mit welcher Art von Literatur es der Leser zu tun hat, das muss jeweils aus dem Text selbst erschlossen werden. Das erfordert einiges an Nachdenken und Lernen, denn viele theologischen Aussagen im Alten Testament kommen als scheinbar geschehene Geschichten daher.

Das gilt nicht für das Neue Testament. Die Geschichten über Jesus in den vier Evangelien wollen ein Glaubensbekenntnis und ein historischer Bericht sein.