Der Schöpfungsbericht
In der westlichen Welt kennt fast jeder die Geschichte von Adam und Eva und hat sie als Kindergeschichte im Kopf - dieser Beitrag will das Verständnis für die Aussagen öffnen, die die Verfasser machen wollten.
Artur
7/20/202424 min read
Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde. Gen 1,1.1 Das klingt für den heutigen Leser ganz selbstverständlich. Als es geschrieben wurde, war der Satz alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Er wurde in eine Welt hinein verkündet, die einen Anfang der Welt voraus setzte. Aber es war ein Anfang durch viele Mitwirkende, ein Anfang, der durch die Götter geschah.
Die Bibel beginnt nicht mit einem Schöpfungsbericht sondern mit zwei. Der erste beginnt mit Im Anfang….Gen1, 1. Und er endet mit der Feststellung. Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er gemacht hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk gemacht hatte..Gen 2,1-2
Der zweite Schöpfungsbericht beginnt mit dem Satz: Das ist die Geschichte der Entstehung von Himmel und Erde, als sie erschaffen wurden. Zur Zeit, als Gott, der HERR, Erde und Himmel machte, Gen 2, 4, Diese zweite Geschichte der Erschaffung der Welt und des Menschen geht dann in die Erzählung des Sündenfalls über.
Dazu kommt noch, der zweite Schöpfungsbericht in der Bibel ist der ältere und damit der eigentlich erste. Diese zweite Erzählung beschreibt die Erde in ihrem Urzustand als Wüste. Zur Zeit, als Gott, der HERR, Erde und Himmel machte gab es auf der Erde noch keine Feldsträucher und wuchsen noch keine Feldpflanzen, denn Gott, der HERR, hatte es auf die Erde noch nicht regnen lassen und es gab noch keinen Menschen, der den Erdboden bearbeitete, Gen 2 4b-5. Wüste gab es in Juda. Gleich östlich von Jerusalem beginnt die judäische Wüste. Der oder die Verfasser dieser Schöpfungserzählung kannten die Wüste und gingen von einem wüstenähnlichen Urzustand der Welt aus. Daraus ergibt sich, dass der ältere Schöpfungsbericht in Juda entstanden ist.
Der jüngere Schöpfungsbericht hat im babylonischen Exil seine Endfassung erhalten. Er geht auf die damalige sumerisch-babylonische Vorstellung vom Urwasser und Urchaos ein . Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und öde, und Finsternis lag auf der Urflut, und der Geist Gottes bewegte sich über dem Wasser. Gen 1, 1-2
Beim aufmerksamen Lesen dieses Schöpfungsberichtes fällt auf, dass sich die Erde in dem ersten Satz des Schöpfungsberichts in einem chaotischen Zustand befindet und dass die Erschaffung des Wassers nicht erwähnt wird. Die Urflut ist einfach da. Dieser Umstand deutet auf die Zeit des Babylonischen Exils hin. Er spielt auf den babylonischen Schöpfungsmythos an.
Die große innovative und revolutionäre Kraft des biblischen Schöpfungsberichts wird gerade dann deutlich, wenn man diesen sumerisch- babylonischen Schöpfungsmythos kennt, der damals von den Völkern des Zweistromlandes geglaubt wurde.
Dieser Schöpfungsmythos beginnt mit den Worten: Enuma elisch, zu deutsch Als oben. Dieses Oben ist der Wohnort der Götter. Am Anfang existierte nach diesem Mythos nichts außer den Urgöttern Tiamat und Apsu. Tiamat, die weibliche Urgöttin, wurde als Schlange mit Füßen dargestellt. Eine in Stein gemeißelte Darstellung der Tiamat ist erhalten.
Siehe https://anthrowiki.at/images/8/82/Tiamat.JPG
Der babylonisch Mythos lautet kurz gefasst so: Apsu zeugt die Götter.Die Urschlange Tiamat gebärt sie. Es sind viele. Nach einiger Zeit fühlen sich die schon älter gewordenen Götter von den jungen Göttern gestört. Tiamat, die Urmutter, soll für Ruhe sorgen. Darauf erschafft Tiamat auf Drängen der älteren Götter Dämonen. Sie sollen die jungen Götter vernichten. Aber das Blatt wendet sich. Der junge Gott Marduk gewinnt den Kampf. Er tötet seine Mutter Tiamat und erschafft aus der einen Hälfte der Göttin den Himmel und aus der anderen Hälfte die Erde. Marduk ist der Erschaffer der Welt. Zugleich ist er der Hauptgott der Babylonier.
Ein Problem ist noch ungelöst. Die Götter brauchen Opfer. Sonst müssten sie hungern. Also tötet Marduk einen Gott und schafft aus seinem Blut und der Erde den Menschen. Eine zentrale Aussage dieses Mythos ist: der Mensch wurde geschaffen, um den Göttern zu dienen!
An dieser Stelle müssen wir uns klar werden, das war der damalige Glaube der Menschen. Das war Staatsreligion. Das glaubten Millionen. Nur eine Handvoll Juden, ein von der damaligen Weltmacht besiegtes Volk, glaubte das nicht.
Die Juden glaubten nicht an anthropromorphe Götter (= Götter, die wie Menschen sind). Sie weigerten sich, an eine brutale Götterwelt zu glauben, in der die Mutter die Kinder mit Hilfe von Dämonen töten will. Eine Götterwelt, in der der Sohn Marduk die Mutter tötet und aus ihr den Himmel und die Erde schafft. Die Juden weigern sich zu glauben, dass der Mensch aus dem Blut eines Gottes und der Erde geschaffen wurde.
Sie stellen ihren ersten Entwurf - inspiriert vom Geist Gottes - von der Erschaffung der Welt dieser Götterwelt entgegen. Das ist die Geschichte der Entstehung von Himmel und Erde, als sie erschaffen wurden. Zur Zeit, als Gott, der HERR, Erde und Himmel machte. Gen2,4.
Nach einer langen Aufzählung, was es noch nicht gibt, folgt die Erschaffung des Menschen. Da formte Gott, der HERR, den Menschen, Staub vom Erdboden, und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen. Gen 2, 7
Nicht das Blut eines getöteten Gottes, sonder der Lebensatem Gottes macht den Menschen zum Menschen. Es lohnt sich, das noch einmal zu lesen. Da formte Gott, der HERR, den Menschen, Staub vom Erdboden, und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen. Gen2, 7. Im Bild wird deutlich, was den Menschen erst zu einem lebenden Wesen macht, das kam aus Gott. Das war sein Geist. Es war nicht nur Formung und Schaffen. Der Hauch Gottes, im Hebräischen bedeutet das Wort eben auch Geist, der macht den Menschen erst zum Menschen. Und darin unterscheidet er sich in dieser Erzählung von jedem anderen geschaffenen lebenden Wesen.
Was der Psalmist betet, das ist eine klare Anspielung auf den biblischen Schöpfungsakt: Verbirgst du dein Angesicht, sind sie verstört, / nimmst du ihnen den Atem, so schwinden sie hin und kehren zurück zum Staub. Du sendest deinen Geist aus: Sie werden erschaffen und du erneuerst das Angesicht der Erde. Ps 104, 29-30
In diesem zweiten (dem eigentlich ersten) Schöpfungsbericht pflanzt Gott zuerst einen Garten und bildet dann die Tiere, um sie dem Menschen zu zuführen. Und der Mensch gab allem Vieh und den Vögeln des Himmels und allen Tieren des Feldes Namen. Gen 2, 20. Wer den Namen bestimmt, der ist der Herr über die, die benannt werden. Die von Gott herbei geführte Namensgebung besagt, dass der Mensch nach dem Willen Gottes der Herr über diese Erde sein soll.
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Lesen wir noch einmal von Beginn an: Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde. Die Erde war wüst und wirr und Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser. Gen1,1. Am Anfang herrscht Urchaos. Mit der Schöpfung beginnt Gott zu gestalten.
Die moderne Kosmologie rechnet mit einem Alter des Universums von dreizehn ein halb Milliarden Jahren und der Entstehung aus dem Man-weiß-es nicht.
Zur Zeit des Neuen Testaments drückt das der Schreiber des Hebräerbriefs so aus: Durch solches Vertrauen gelangen wir zu der Einsicht, dass die ganze Welt durch das Wort Gottes geschaffen wurde und alle sichtbaren Dinge aus Unsichtbarem entstanden sind. Hebr 11, 32 .
Auch wenn sich der biblische Schöpfungsbericht die Vorstellung vom Urchaos mit dem babylonischen Mythos teilt, der Unterschied könnte nicht größer sein. Es ist ein Gott, der Gott Israels und dieser eine Gott schafft durch sein Wort. Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war. Und Gott schied das Licht von der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag. Gen 1, 3-5 Gott schafft durch sein Wort. Das gesprochenes Wort Gottes ist eine Information, die zur Realität wird.
Gott ist im Verständnis der biblischen Autoren selbst Licht. Darum muss ohne Gottes Eingreifen Finsternis herrschen. Es ist Gott, der in das Chaos Licht bringt. Gott gibt dem Licht einen Namen, den wir als selbstverständlich empfinden. Durch die Namensgebung von Gott aber bekommen aus der Sicht des Verfassers Tag und Nacht erst ihre Bedeutung in der Schöpfungsordnung.
Nun steht da: Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag.
Schon Origines (* 185 in Alexandria; † 253 oder 254 wahrscheinlich in Tyros) ist bei diesem Text etwas aufgefallen. Das Scheiden von Licht und Finsternis war nach dem Verfasser des Schöpfungsberichts der erste Tag und es folgte der erste Abend. Tag und Nacht gibt es auf dieser Erde nur durch den Aufgang der Sonne und ihren Untergang. Also, so schloss Origines ganz logisch, kann der Schöpfungsbericht nicht naturwissenschaftlich gemeint sein. Da es Tag und Nacht nur durch die Sonne gibt und ebenso folglich dann Morgen und Abend, sind diese Tageinteilungen nur symbolisch zu verstehen. Die Sonne wurde dann erst am vierten Tag geschaffen.
Auf die nicht wissenschaftlich und historische Absicht der Verfasser weist auch ein Widerspruch zwischen dem ersten und zweiten Schöpfungsbericht hin. In dem jüngeren Schöpfungsbericht schafft Gott alle Lebewesen, die es gibt, die Lebewesen im Wasser, in der Luft und an Land am fünften und sechsten Tag . Dann – zuletzt - schafft er den Menschen. Im älteren Schöpfungsbericht schafft Gott zuerst den Menschen, dann pflanzt er einen Garten und erst dann werden die Tiere geschaffen.
Selbstverständlich ist den jüdischen Gelehrten, die die zwei Schöpfungsberichte hintereinander gestellt haben, das auch bewusst gewesen. Sie haben keinen Widerspruch gesehen. Sie wollten keine naturwissenschaftlich historische Schrift verfassen. Sie wollten zwei Aspekte der einen theologischen Wahrheit verkünden. Die Welt ist in ihrer Gesamtheit Gottes Werk und darum sein Eigentum und sie ist nicht die Welt der Götter.
Gott allein ist es, der die Welt trägt und ihre Ordnung geschaffen hat. Das wird in den folgenden Schöpfungstagen dargestellt. Gott scheidet Himmel und Erde, Wasser und Festland. Und dann geschieht wieder etwas, das aus Naturwissenschaftlicher Sicht nicht geschehen kann. Dann sprach Gott: Die Erde lasse junges Grün sprießen, Gewächs, das Samen bildet, Fruchtbäume, die nach ihrer Art Früchte tragen mit Samen darin auf der Erde. Und so geschah es. Die Erde brachte junges Grün hervor, Gewächs, das Samen nach seiner Art bildet, und Bäume, die Früchte tragen mit Samen darin nach ihrer Art. Gott sah, dass es gut war. Es wurde Abend und es wurde Morgen: dritter Tag. Gen 1, 11-13
Die Sonne ist noch nicht geschaffen und doch entsteht schon Grün. Chlorophyll, das wissen wir, entsteht durch Photosynthese und die ist nur durch Sonnenlicht möglich. Die Sonne aber wird erst am vierten Tag geschaffen. Es wird noch einmal deutlich. Das ist nicht Naturwissenschaft. Das ist Theologie mit einer klaren Absicht: Die Schöpfungsberichte verkünden in die heidnische Welt hinein und auch dem eigenen jüdischen Volk, es gibt nur einen Gott. Dieser eine Gott ist der Grund und die Ursache von allem, was existiert. Wir als Menschen wurden von Gott in diese Welt hinein gesetzt. In ihr sollen wir zu Hause sein ohne Angst vor Götter oder Dämonen.
Dann sprach Gott: Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden. Sie sollen als Zeichen für Festzeiten, für Tage und Jahre dienen. Sie sollen Lichter am Himmelsgewölbe sein, um über die Erde hin zu leuchten. Und so geschah es. Gott machte die beiden großen Lichter, das große zur Herrschaft über den Tag, das kleine zur Herrschaft über die Nacht, und die Sterne. Gott setzte sie an das Himmelsgewölbe, damit sie über die Erde leuchten, über Tag und Nacht herrschen und das Licht von der Finsternis scheiden. Gott sah, dass es gut war. Es wurde Abend und es wurde Morgen: vierter Tag. Gen 1, 14-19.
Der moderne Leser denkt sich, nun wenn Gott die Welt gemacht hat, dann natürlich auch alles, was wir am Himmel sehen. In der Antike waren diese Zeilen eine Revolution. Für die Völker der damaligen Welt waren das keine Lichter. Das was man Nachts am Himmel sah, das waren Bilder der Götter und Zeichen der Götter. Dieser Glaube lebt in der Astrologie immer noch fort. Doch der Verfasser räumt mit alle dem in einer unglaublich knappen Aussage auf. Aus den Zeichen der Götter werden Lampen, die dem Menschen leuchten sollen. Der Götterhimmel wird ein für alle mal leer gefegt.
Echnaton, der ägyptische Pharao, verehrte die Sonnenscheibe als Gott über all den anderen Göttern. Hier, im jüdischen Schöpfungsbericht, gibt es einen Gott, der diese angeblichen Gottheiten erschafft und ihnen ihren Platz zuweist: Gott machte die beiden großen Lichter, das große zur Herrschaft über den Tag, das kleine zur Herrschaft über die Nacht, und die Sterne. Gott setzte sie an das Himmelsgewölbe, damit sie über die Erde leuchten, über Tag und Nacht herrschen und das Licht von der Finsternis scheiden. Gott sah, dass es gut war. Gen1, 16-18.
Zuletzt in dieser Sechs-Tage- Schöpfungs-Erzählung wird der Mensch geschaffen. Er soll der krönende Schlusspunkt sein. Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie. Gen1, 27. Mit dieser Aussage werden die absolute Gleichwertigkeit, die gleiche Würde und einzigartige Stellung von Mann und Frau in der Welt fest gestellt. Dieser Gedanke wurde in eine patriarchale Welt hinein verkündet.
Wie die Geschichte des Judentums bis zu den Tagen Jesu und dann die christliche Geschichte leider zeigt, wurde diese nach jüdischer und christlicher Überzeugung von Gott inspirierte Aussage beharrlich missachtet. Mann und Frau sind beide Abbild Gottes. Erst sie beide, männlich und weiblich geschaffen, sind Abbild Gottes. Der Mann allein ist es nicht. Aus dieser Aussage über die Erschaffung des Menschen hätten gesellschaftliche Folgen kommen müssen, nämlich eine echte Gleichstellung der Frau in allen Belangen.
Worum Frauen heute kämpfen, das wurde als Stellung der Frau schon vor zweitausend und fünfhundert Jahren fest gestellt als Gottes Offenbarung an den Menschen oder besser gesagt an den Mann, der das nicht wahr haben wollte und will.
Dann, nachdem die Arbeit getan und die Woche um ist: So wurden Himmel und Erde und ihr ganzes Heer vollendet. Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er gemacht hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk gemacht hatte. Gen2, 1-3.
Das ist jetzt die perfekte Begründung für den Sabbat. Gott ruhte am siebten Tag, also müssen wir Menschen auch diesen Tag begehen. Gott hat die Welt genau in der Zeit einer jüdischen Arbeitswoche geschaffen.Wenn Gott am siebten Tag ruht, dann muss auch der Mensch an diesem Tag ruhen. Das war aber nur die eine jüdische Sicht. Die andere Sicht bringt Jesus zum Ausdruck. Jesus aber entgegnete ihnen: Mein Vater wirkt bis jetzt und auch ich wirke. Joh 5, 17.
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Erinnern wir uns. Der Mensch wurde nach dem sumerisch-babylonischen Götterglauben dazu geschaffen, den Göttern zu dienen. Der Grund für die Existenz des Menschen, das ist der Wille der Götter, von den Menschen Opfer zu empfangen.
Die Götter brauchen den Menschen. Das ist die Meinung , die die damaligen religiösen Überzeugungen beherrscht. Der Gott der Bibel ist kein Gott, der Hunger leidet, wenn man ihm keine Opfer darbringt, wie es von den Göttern Babylons geglaubt wird. Der Gott der Bibel, der Gott Israels, beschwert sich vielmehr über die Opfer, die in falscher Frömmigkeit ihm dargebracht werden. Nicht wegen deiner Opfer rüge ich dich, deine Brandopfer sind mir immer vor Augen. Aus deinem Haus nehme ich keinen Stier an, keine Böcke aus deinen Hürden. Denn mir gehört alles Wild des Waldes, das Vieh auf den Bergen zu Tausenden. Ich kenne alle Vögel der Berge, was sich regt auf dem Feld, ist mein Eigen. Hätte ich Hunger, ich brauchte es dir nicht zu sagen, denn mein ist der Erdkreis und seine ganze Fülle. Soll ich denn das Fleisch von Stieren essen und das Blut von Böcken trinken? Ps 50, 8-13
Im Schöpfungsbericht der Bibel wird der Mensch von Gott geschaffen mit einer Aussage, die der genaue Gegensatz von dem ist, was die Götter vom Menschen erwarten. Dann pflanzte Gott, der HERR, in Eden, im Osten, einen Garten und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte. Gen2,8. Der Mensch muss im biblischen Schöpfungsbericht nicht für Gott da sein, sondern Gott ist für den Menschen da. Er betätigt sich als Gärtner für den Menschen.
In unseren Breiten gehört zum Haus, wenn es nicht in der Stadt steht, ein Garten. Damals war ein Garten ein Privileg. Einen Garten zu haben, das war ausschließlich das Vorrecht des Königs. Wenn in der Erzählung Gott einen Garten für den Menschen anlegt, dann verleiht Gott dem Menschen damit königliche Würde. Die ältere Schilderung von der Erschaffung des Menschen, die ja bald tragisch weiter gehen wird, sie beginnt damit, dass Gott den Menschen ohne irgendwelche selbstbezogenen Absichten schafft, dass sich Gott für den Menschen zum Gärtner macht und ihn mit der Pflanzung des Gartens wie einen König behandelt.
Der Gott der Bibel dient zuerst dem Menschen. Er gestaltet einen Garten. Es macht keinen Sinn, diesen Garten lokalisieren zu wollen. Damit ist kein historischer Garten gemeint. Die Aussage lautet: Gott schuf den Menschen und mit ihm die Welt, dass er sie wie einen Garten genieße und auch pflege. Ebenso ist die Frage „Waren Adam und Eva historische Personen?“ einfach eine falsche Frage ist. Die Frage nach historischen Personen, wie wir sie heute stellen, die wäre den damaligen Verfassern der Schöpfungsgeschichte gar nicht in den Sinn gekommen. Sie hatten eine andere Frage zu beantworten. Gibt es viel Götter? Nein! Schuf der eine Gott den Menschen, damit er nicht in seinem Götterhimmel hungern muss? Nein! Wenn das auch nicht zutrifft und wenn ein guter Gott den Menschen schuf, warum ist dann nicht alles gut?
Und wer ist der Mensch überhaupt? Diese Antwort wird auf verschiedene Weise in beiden Schöpfungsgeschichten gegeben. Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie. Gen 1,27.
In der Antike wurden in deren Herrschaftsgebiet Statuen der Herrscher aufgestellt. Diese Statuen repräsentierten den Herrscher. In diesem Sinn ist der Mensch Repräsentant Gottes in dieser Welt. Die aufgestellte Statue hatte natürlich eine Ähnlichkeit mit dem Dargestellten. Andererseits war sie in keiner Weise der Herrscher selbst. Der Mensch als Abbild Gottes ist jedenfalls keineswegs ein Sklave Gottes. Er ist nicht dazu da, Gott zu bedienen. Die Abbild Gottes zu sein bedeutet vor allem, dass Gott mit dem Menschen und der Mensch mit Gott kommunizieren kann. Das wird dann ja geschildert.
Da bildete der HERR, Gott, den Menschen ⟨aus⟩ Staub vom Erdboden und hauchte in seine Nase Atem des Lebens; so wurde der Mensch eine lebende Seele.Gen 2, 7 Elb. Das besagt die sinngemäße Übersetzung des hebräischen Wortes Näfesch. Die Lesart in den meisten Übersetzungen So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen ändert den ursprünglichen Sinn. Nach dem hebräischen Verständnis hat der Mensch nicht eine Seele. Er ist eine Seele. Der Mensch wurde in seiner Gesamtheit eine lebende Seele. Diese Seele wird der Mensch durch den Hauch Gottes. Das hebräische Wort ruach meint Atem, Wind und auch Geist. Es ist im Hebräischen zudem weiblich. Es ist die Geist Gottes, die den Menschen lebendig macht.
Die Geschichte der Erzählung von der Erschaffung des Menschen geht weiter. Es wird deutlich, dass ein Mensch allein den Menschen noch nicht ausmacht. Dann sprach Gott, der HERR: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm ebenbürtig ist. Gen 2, 18. Anschließend erleben wir Gott beim Ausprobieren. Es ist so, als wüsste er selbst nicht Bescheid, was zum Menschen passt. Mal probieren und schauen. Das scheint Gottes Motto zu sein. Das ist orientalische Erzählweise. Durch diese Langatmigkeit und dieses Suchen wird deutlich, welch tiefe Unterschiede zwischen Mensch und Tier bestehen. Gott bildet die Tiere, die er dem Menschen zur Begutachtung zuführt aus dem Erdboden, wie er es beim Menschen gemacht hat. Es gibt dabei einen Unterschied. Keinem der Tiere blähst Gott seinen Atem in die Nase. Darum kann keines der Tiere Adam aus seiner Einsamkeit helfen.
Da ließ Gott, der HERR, einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen, sodass er einschlief, nahm eine seiner Rippen und verschloss ihre Stelle mit Fleisch. Gen2,21.
Schade, dass das im Deutschen so dasteht. Natürlich kann sich der Leser das gut vorstellen. Gott nahm einen Knochen, eine bescheidene Rippe und baute daraus die Eva. Das hebräische Wort, das mit Rippe übersetzt wird, lautet Zela. Es bedeutet Seite. Die längere Seite der Bundeslade ist Zela. Die Seite eines Berghanges wird mit Zela bezeichnet. Der Seitentrackt eines Palastes ist Zela.
Gott schuf Eva aus der Seite des Mannes. Das hat eine symbolische Bedeutung. Hätte Gott die Eva aus seinen Füßen geschaffen, dann müsste sie ihm dienen. Hätte er sie aus seinem Kopf geschaffen, dann würde sie über den Mann herrschen. Eva ist aus der Seite des Mannes geschaffen. Das bedeutet, sie ist ihm ebenbürtig. Sie ist sein Gegenüber.
Gott, der HERR, baute aus der Rippe, die er vom Menschen genommen hatte, eine Frau und führte sie dem Menschen zu. Und der Mensch sprach: Das endlich ist Bein von meinem Bein / und Fleisch von meinem Fleisch. Frau soll sie genannt werden; / denn vom Mann ist sie genommen. Gen 2, 22-23
Bevor wir der Erzählung weiter folgen, ist die Frage nach dem Verständnis dieser Geschichte fällig noch einmal fällig. Die eine Ansicht sagt: Es gab einen Anfang der Menschheit und die beiden ersten Menschen hießen Adam und Eva. So wird das von vielen Christen gelesen.
Beginnt die Bibel nicht mit den Worten Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde ? Damit scheint alles klar zu sein. Und doch ist das nur unser heutiges Verständnis. Wir denken historisch. Das Wort Anfang bedeutet für uns den Anfang der Zeit. Und dann geht die Geschichte weiter. Dieses historische Denken hat sich erst im 18. und 19. Jahrhundert entwickelt. Der antike Mensch fragt nach dem Anfang, wenn er nach dem Grund fragt. Es ist also im Grunde eine Frage nach dem Warum? Warum gibt es den Menschen? Ist er ein Produkt der Götter oder des einen Gottes Israels? Wozu ist der Mensch geschaffen? Wenn er mit guten Absichten geschaffen wurde, warum gibt es dann so viele Probleme?
Wir denken an Adam und verstehen das als einen Eigennamen. Es bedeutet aber nichts anderes als Mensch. Das Wort Adam steht mehr als 500 mal im Alten Testament. Darum übersetzt die Einheitsübersetzung das Wort Adam folgerichtig bei dem Bericht der Erschaffung Adams mit Mensch. Genau das ist seine Bedeutung. Es ist also in der Erzählung von der Erschaffung Adams nicht von einer bestimmten Person Namens Adam die Rede, sondern von der Erschaffung des Menschen. Und diese Erzählung ist keine Antwort auf die Frage: Mit wem und wann hat die Geschichte der Menschheit begonnen? Diese Geschichte ist die Antwort auf die Frage: Wer oder was ist die Ursache unserer Existenz und warum ist die Welt heute so, wie sie ist und wie steht es um den Menschen?
So wie Adam einfach Mensch bedeutet, so bedeutet die Bezeichnung Eva die Mutter aller Lebendigen. Das sind beides ursprünglich keine Eigennamen. Wäre es eine historische Geschichte, dann entstehen viele Fragen. Wo war der Garten Eden und wo ist er hin geraten? Warum wundert sich Eva nicht, dass die Schlange sprechen kann? Welche Füße hat Gott, dass Adam seine Schritte hören konnte?
Alle diese Fragen fallen weg, wenn man die tiefe symbolische Bedeutung der Erzählung vom Anfang der Menschheit versteht. In der Geschichte von der Erschaffung des Menschen und dem Sündenfall werden grundlegende Fragen geklärt. Liest man diese Geschichte wie einfache Erzählungen aus uralter Zeit, dann verfehlt man ihr aktuelle und überzeitliche Aussage.
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Adam (= der Mensch) und Eva (= die Mutter alles Lebendigen, d.h. aller Menschen) sind keine Gestalten von gestern. Es gibt sie immer noch.
Beide, der Mensch und seine Frau, waren nackt, aber sie schämten sich nicht voreinander. Gen2, 25. Es geht dabei – auch wenn wir dieser Aussage viele berühmte Bilder von Adam und Eva verdanken – nicht um eine körperliche Nacktheit. Solange ein Mensch nichts zu verbergen hat vor dem anderen, wenn er keine Angst haben muss, vom anderen Menschen verletzt, gedemütigt und beschämt zu werden, dann kann der Mensch ungeschützt, d.h. nackt sein. Wo nichts im Dunklen bleiben muss, wo jeder Mensch so sein kann, wie er ist und den anderen auch so lässt wie er ist, da muss nichts hinter einer Maske verborgen werden. Voreinander nackt sein und sich nicht zu schämen, das bedeutet sich sicher zu sein, vom anderen angenommen und geliebt zu sein und diese Annahme und Liebe zu erwidern. Das ist das Paradies einer Beziehung. Das wäre der Garten Eden heute. Das ist das Miteinander des Menschen, wenn sie sich nicht in Lieblosigkeit verfehlen.
Gott, der HERR, nahm den Menschen und gab ihm seinen Wohnsitz im Garten von Eden, damit er ihn bearbeite und hüte. Dann gebot Gott, der HERR, dem Menschen: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn am Tag, da du davon isst, wirst du sterben. Gen 2, 15-17.
Das sagt Gott in dieser Geschichte übrigens zum Mann noch ehe die Frau geschaffen wurde. Dass Gott das zum Mann sagt und dass der Mann vor der Frau geschaffen wurde, das ist der Ausdruck einer patriarchalen Kultur.
Der Baum symbolisiert die Entscheidungsmöglichkeit des Menschen. Der Mensch muss nicht einfach seinen Instinkten folgen. Er handelt nicht einfach und entdeckt dann die Folgen. Der Baum sagt aber auch, dass nur Gott, der Erschaffer des Menschen, wirklich weiß, was Gut und Böse, was richtig und falsch, was wirklich gut für den Menschen und was schädlich ist für ihn. Gott gibt die ethische Ordnung vor. Diese Aussage wird in einer antike Welt hinein getätigt, die ein völlig anderes Verständnis hat.
Eine der ältesten uns bekannten Gesetzessammlungen aus der Antike ist der Kodex Hammurabi. Das ist eine in Keilschrift beschriebene Stele aus Ur von etwa 1800 v. Chr. Auf dieser Stele sind Rechtsvorschriften des göttliche babylonischen Königs Hammurabi fest gehalten. Es ist das Recht festgehalten, das ein König, ein Mensch hat nieder schreiben lassen. Dieser Mensch behauptete zwar eine göttliche Legitimation. Aber es war ein Mensch.
Im Garten Eden legt Gott durch das Setzen eines Baumes, von dem nicht gegessen werden darf, fest, was Recht und was Unrecht ist. Der Baum symbolisiert einen göttliche Vorbehalt. Nur Gott kann und darf bestimmen, was Recht und Unrecht ist. Das soll nicht in der Eigenmächtigkeit der Mächtigen geschehen. Dieser Vorbehalt Gottes wird dann am Berg Sinai mit dem mosaischen Gesetz konkret werden. Der Baum im Garten Eden, von dem nicht gegessen werden darf, ist der Hinweis auf das, was im jüdisch- christlichen Glauben zur Selbstverständlichkeit gehört. Gott legt in seiner Offenbarung fest und offenbart, was Recht und was Unrecht ist. Die immer gültigen Rechtsordnungen werden von Gott fest gelegt und der Mensch soll und muss in seiner Rechtssetzung den göttlichen Vorgaben folgen. Darum steht ein Baum im Garten Eden, von dem nicht gegessen werden darf.
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Vor jedem menschlichen Tun kommt das Denken. Biblisch gesprochen, der Mensch folgt den Gedanken seines Herzens. In der Erzählung von Adam und Eva stellt die Schlange das menschliche Denken dar, ein Denken, das sich eigene Gesetze schafft und die Gesetze Gottes nicht befolgen will.
Dem Verfasser der Paradiesgeschichte ist dabei wichtig zu betonen, dass die Schlange nicht etwa aus der Götterwelt entkommen ist und sich in Gottes Garten Eden hinein geschmuggelt hat. Es wird ausdrücklich fest gehalten Die Schlange…, die Gott, der HERR, gemacht hatte.
Die Schlange war schlauer als alle Tiere des Feldes, die Gott, der HERR, gemacht hatte. Sie sagte zu der Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen? Gen3,1.
Die übliche Erklärung lautet, die sprechende Schlange, das ist der Satan höchst persönlich. Im christlichen Weltbild ist der Satan der Versucher schlechthin. Also, wenn hier die Schlange als Versucher auftaucht, dann muss das der Satan sein. In der Geschichte selbst gibt es aber keinen Hinweis, dass das der Satan sein soll. Der damalige Leser kannte den Mythos von der Urschlange Tiamat, die die Götter geboren hatte. Die realen Schlangen wiederum waren gefürchtet und geachtet, weil sie mit ihrem Biss töten konnten. Und diese Schlange bringt den Tod.
Wenn der damalige Leser an die Urmutter der Götter, an die Schlange Tiamat dachte, dann verstand er sofort, dass sich der Mensch durch den Glauben an die Götter ein eigenes Urteil über Gut und Böse schafft. Dachte der Leser der Geschichte an eine reale Schlange, dann wusste er, dass der Biss der Schlange den Tod bringen kann. Wenn eine Schlange spricht, dann kann das nichts besseres bedeuten. Ehe die Schlange spricht – und sie spricht typisch menschliche Gedanken aus – befinden sich Adam und Eva noch im Zustand der Unschuld.
Der Anfang des Menschen ist immer die Unschuld. Sie drückt sich in der Nacktheit von Adam und Eva aus. Kleine Kinder sind mit großer Selbstverständlichkeit nackt. Sie reflektieren nicht über ihre Nacktheit und nicht darüber, dass diese Nacktheit auch ein Bloßstellen ist. Mit fortschreitendem Alter geht immer mehr von der Unschuld verloren. Der Verlust geschieht durch Erfahrungen, die das Kind beschämen. Dem folgt ein Denken, das Gebote in Frage stellt, dem dann das Tun des Verbotenen folgt. Und damit beginnt eine Entfremdung von sich selbst und damit auch von Gott.
Zuerst stellt die Schlange (= die Versuchung) eine Frage: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?
So beginnt jeder Zweifel. Hat Gott wirklich gesagt…, d.h. hat Gott wirklich geredet? Gibt es eine göttliche Offenbarung? Gibt es das, dass der Mensch nach Gottes Willen das eine Tun und das andere Lassen soll? Gibt es das? Und wenn es das gibt, dann ist Gottes Gebot eine Zumutung. ... Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen!
Eva befindet sich im Garten Eden, in einem königlichen Garten, in einem Garten mit vielen Bäumen, die Gott gepflanzt hatte. Die Versuchung beginnt mit dem, was der Mensch empfindet, wenn er etwas nicht tun soll und es doch tun möchte. Er empfindet nur diesen einen Wunsch. Und wenn ihm die Verwirklichung dieses einen Wunsches nicht erlaubt oder möglich ist, dann wird ihm in seiner emotionalen Empfindung nichts erlaubt. Du darfst von keinem Baum essen!!
Die Frau entgegnete der Schlange: Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen; nur von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben. Gen 3, 2-3.
Die Frau weiß, was Gott Adam, dem Menschen, geboten hat. Sie wiederholt das göttliche Gebot. Das bedeutet, der Mensch hat ein Gewissen, das ihm sagt, was richtig und falsch ist. Jedoch, sich in einen Dialog mit den Gedanken zu begeben, die einen versuchen, das geht meistens nicht gut aus. Denn ein Zweifel war ja schon gesät: Hat Gott wirklich gesagt?
Darauf sagte die Schlange zur Frau: Nein, ihr werdet nicht sterben. Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse. Gen 3, 4-5
Die Schlange macht ein Versprechen. Ihr werdet sein wie Gott. Das klingt in den Ohren des heutigen Lesers unglaubhaft überzogen. Für den Leser in der Antike hatte das einen realen Hintergrund. In der Antike war die Welt voller Götter. Diese Welt der Götter war nicht völlig getrennt von der Welt der Herrscher. Der ägyptische Pharao war ein Vertreter der Götter und darum auch ein Gott. Alexander der Große hat sich selbst als einen Sohn Gottes bezeichnet. Der römische Kaiser Tiberius, der zur Lebenszeit von Jesus regierte, trug den offiziellen Titel Sohn Gottes. Sein Vater Augustus wurde als Gott verehrt.
Ihr werdet sein wie Gott, ist also kein völlig von der damaligen Realität abgehobenes Angebot. Es wird in einer Antiken Welt gegeben, in der der Glaube an die Götter es besonderen Menschen ermöglichte, in den Götterhimmel aufgenommen zu werden. Das ist dann aus der Sicht des jüdischen Glaubens der Höhepunkt der Anmaßung und des Abfalls.
Die Schlange im Garten bringt mit ihrem Reden Eva dazu, nicht mehr Gottes Weisung folgen zu wollen. Sie will nach eigenen Vorstellungen und Wünschen handeln. Und sie strebt dabei nach einer Größe, die ihr nicht zukommt.
Die verführerischen Gedanken beginnen zu wirken. Da sah die Frau, dass es köstlich wäre, von dem Baum zu essen, dass der Baum eine Augenweide war und begehrenswert war, um klug zu werden. Gen 3,6 a.
Bei jeder Handlung, die wir setzen und die nicht unserem So sein entspricht – und wir sind nun einmal so geschaffen, dass wir nur als Liebende glücklich sind – bilden wir uns ein, sehr klug zu sein und sind es nicht.
Sie nahm von seinen Früchten und aß; sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er aß. Gen 3, 6b.
Das ist die seltsamste Stelle der ganzen Geschichte vom Sündenfall. Eva tut, was sie nicht tun soll. Offensichtlich steht Adam, ihr Mann, neben Eva als sie nimmt und isst. Zu Adam hatte Gott geredet. (Dass Gott zum Mann redet und ihm die Gebote mitteilt und nicht der Frau, das ist in einer patriarchalen Welt nicht anders denkbar.) Adam,der Mann, hatte von Gott das Gebot empfangen. Seine Frau hatte das Gebot, das ist die Logik der Geschichte, von Adam erfahren. Der Mensch, zu dem Gott geredet hatte und das Verbot ausgesprochen hatte, dieser Mensch sah, ohne ein Wort zu sagen, seiner Frau zu, als sie das Verbotene tat und dann nahm er wieder ohne ein Wort aus der Hand der Frau die Frucht und aß. Einfältiger geht es nicht. Adam, der Stammvater aller Menschen, kommt an dieser Stelle nicht nur nicht gut weg. Diese Stelle beschreibt eine potenzielle Unfähigkeit des Menschen, Gottes Gebot oder Verbot angemessen weiter zu geben und danach zu handeln.
Beide taten in falscher Einträchtigkeit das Verbotene. Da gingen beiden die Augen auf und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz. Gen3,7.
Das Essen der Frucht vom verbotenen Baum symbolisiert das Handeln gegen Gottes Gebot. Gottes Gebot aber ist in seinem Zentrum das Gebot zur Liebe. Sünde ist Zielverfehlung. Die Liebe als Aufgabe und Ziel wird nicht gelebt. Wird die Liebe verlassen, dann führt das immer zur Entfremdung in der zwischenmenschlichen Beziehung. Ab nun gibt es viel oder wenig, dass man voreinander verbergen muss. Der Mensch kann nun nicht mehr seelisch nackt sein vor dem Menschen. Ab jetzt haben sie, das Paar, Gedanken und Absichten voreinander zu verstecken. Also machen sich Adam und Eva, der Mensch und seine Frau, einen Schurz. Es geht wieder nicht um die körperliche Nacktheit. Es geht um das Versteckspiel, das der gefallene Mensch seit dem Sündenfall voreinander macht und machen muss.
Als sie an den Schritten hörten, dass sich Gott, der HERR, beim Tagwind im Garten erging, versteckten sich der Mensch und seine Frau vor Gott, dem HERRN, inmitten der Bäume des Gartens. Aber Gott, der HERR, rief nach dem Menschen und sprach zu ihm: Wo bist du? Er antwortete: Ich habe deine Schritte gehört im Garten; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich. Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem ich dir geboten habe, davon nicht zu essen? Der Mensch antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben. So habe ich gegessen. Gott, der HERR, sprach zu der Frau: Was hast du getan? Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt. So habe ich gegessen. Gen3, 8-13.
Gott geht im Garten Eden spazieren. Und Adam versteckt sich. Die Verletzung von Gottes Ordnung führt nicht nur zur Entfremdung des Menschen vom Menschen. Die Scham, die der Übertretung folgt, führt auch zur Entfremdung von Gott. Adam und Eva verstecken sich jetzt vor Gott. Eine seelische Nacktheit vor Gott schafft jetzt Furcht und Unbehagen. Der Mensch, der weiß, dass er schuldig ist, will keinen Gott, der nahe ist. Ab jetzt gibt es tausend Rechtfertigungen, sich vor Gott zu verstecken.
Und zugleich greift eine andere Strategie. Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben. So habe ich gegessen. Das sind die ersten Worte, die Adam, der Mann in dieser Erzählung, zu sagen hat. Es ist eine Schuldzuweisung. Der Mensch erklärt Gott als den Schuldigen. Diese Frau ist schuld. Eigentlich bist du, Gott, schuld. Du hast mir diese Frau gegeben. Das ist der klassische Verteidigungsmechanismus des Menschen. Meine Eltern sind schuld. Meine Erziehung ist schuld. Die Umstände sind schuld, usw..
Die Frau regiert genauso. Die Schlange ist schuld.
Das Ungemütliche an der Erzählung ist nur, dass Gott diese Schuldzuweisungen als Entschuldigungen nicht gelten lässt.
Die Zeit der Unschuld ist zu Ende und nun beginnt die Realität dieser Welt. Und die Realität dieser Welt ist so, weil wir alle Kinder von Adam, dem Menschen und Eva, der Mutter aller Lebenden, sind.
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1Die Bibeltexte sind, wenn nicht anders erwähnt, der Einheitsübersetzung entnommen
2Gute Nachricht Übersetzung
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